In Trauer und Dankbarkeit: Abschied von Sebastião Salgado
Am 23. Mai 2025 verließ uns ein Gigant der Fotografie: Sebastião Ribeiro Salgado (1944–2025). Er war weit mehr als ein Fotograf – ein Visionär, Chronist des Menschseins, Reisender in den Extremen. Für mich war er immer der Meister der stillen Kraft, dessen Bilder mich früh lehrten: Fotografie kann Haltung sein. Sie kann uns Fragen öffnen, uns erschüttern – und uns verändern.
Ihnen, die seine Bücher wie Workers, Exodus und Genesis kennen, ist bewusst: Salgados Werk ist mehr als eindrucksvoll komponierte Schwarzweißaufnahmen. Es sind visuelle Essays, die vom Leiden der Menschheit und vom Wunder der Erde berichten – brutal ehrlich, aber niemals hoffnungslos. Als er 2019 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde, war ich live in der Frankfurter Paulskirche dabei. Es war ein unvergesslicher Moment: seine Rede, getragen von leiser, unerschütterlicher Überzeugung, die Stimme voller Mitgefühl, seine Augen voller Erinnerung.

Fotografie als Zeugnis – Ich war selten so bewegt
Salgado nannte sich selbst einen „Zeugen“: Zeugnis ablegen über das Leid auf dem Planeten, über Menschen, die unter unmenschlichen Bedingungen lebten – Kriege, Genozide, Hungersnöte, Umweltzerstörung. „Meine Sprache ist das Licht“, sagte er damals. Er vergab keine Schönfärberei. Ganz im Gegenteil: Seine Bilder erschienen ästhetisch, ohne das Leid zu verschleiern. Sie zeigten die Würde der Ausgebeuteten, der Zwangsarbeiter, der Heimatlosen – doch auch die Erhabenheit und Schönheit, die wir bewahren müssen.
Als ich vor dem Altar der Paulskirche saß, erschloss sich mir Salgados Radikalität. Er sprach nicht nur für die Menschen in seinen Bildern – er sprach für uns alle: Wir dürfen nicht wegsehen. Wir müssen weiter hinsehen – und handeln. Sein Werk forderte soziale Gerechtigkeit, Menschenwürde, ökologische Verantwortung. Wie Wim Wenders in seiner Laudatio sagte: Salgado lehrte uns, dass „kein Frieden ohne soziale Gerechtigkeit“ möglich ist.

2025: Ein Nachruf – und ein Erbe
Auch wenn seine Stimme fort ist, lebt sein Erbe weiter – in Büchern, Ausstellungen, in den Erinnerungen von Millionen. Sein Tod ist ein Verlust – doch seine Bilder bleiben präsent, fordern uns weiterhin. Umso wichtiger, sie zu bewahren: Dies ist keine leere Geste – es ist ein Auftrag. Den unvergesslichen Augenblick am 20. Oktober 2019, als die Paulskirche still wurde, werde ich nie vergessen. Und ich werde nie vergessen, was er dort sagte: Er empfängt den Preis für die Menschen, deren Leid er gezeigt hat – und mit ihnen zusammen.
Menschen, Erde, Wiederaufbau
Salgado schenkte uns nicht nur Schranken und Dramen – er initiierte ein Hoffnungsprojekt: mit seiner Frau Lélia gründete er das Instituto Terra in Brasilien. Dort pflanzten sie Millionen Bäume, verwandelten zerstörte Farmen in Lebensraum – ein lebendiger Ausdruck seiner Vision: Mensch und Natur gehören zusammen. Für mich war das ein Wendepunkt: Fotografie ist nicht nur Beobachtung, sondern Handlung. Heilung.
Das Erbe leben – meine persönliche Reise
Ich habe mich unzählige Stunden mit seinen Werken beschäftigt, war meist zutiefst berührt und spürte immer die Botschaft selbst auch handeln zu müssen. Seine Bilder haben mich persönlich geformt: Sie haben mir gezeigt, dass ein Bild viel lauter sein kann als Worte. Dass stille Kraft eine Stimme sein kann. Dass Empathie nicht leise sein muss. Ich arbeite als Reisende, Fotografin, Autorin, Bloggende – und ich trage seine Botschaft weiter: dass unsere Zeit nicht eine der Taubheit sein darf.
Danke, Sebastião – danke für dein Leben, deine Kunst, deine Tatkraft. Deine Stimme mag schweigen, aber dein Werk spricht weiter.
Impressionen





