Zu Besuch bei Tschingis Aitmatow – Ein literarischer Auftakt in Bischkek
Meine Reise durch Kirgisistan beginnt mit einem ganz besonderen Moment: dem Besuch im ehemaligen Wohnhaus von Tschingis Aitmatow in Bischkek. Für mich – als Liebhaberin seiner Werke und als Reisende auf literarischen Spuren – war es ein bewegender Auftakt.
Das Haus liegt in einem gepflegten Garten, versteckt in einer ruhigen Seitenstraße der Hauptstadt. Schon beim Betreten spürt man: Dies ist kein Museum im klassischen Sinne. Es ist ein Ort der Erinnerung, der Nähe – und der stillen Größe.
Die eine Hälfte des Hauses wird von Aitmatows Sohn bewohnt, die andere ist der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Kein Prunk, keine aufgesetzte Inszenierung – stattdessen viel Authentizität: Möbel aus den 70er-Jahren, ein Schlaf- und ein Wohnzimmer, das Arbeitszimmer mit dem Schreibtisch, über dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.
Besonders eindrucksvoll ist die alte Schreibmaschine, auf der Aitmatow seine Geschichten verfasste. Ein schlichtes, mechanisches Gerät – und doch das Werkzeug eines Mannes, der mit Worten Welten geschaffen hat.

An den Wänden hängen seine Bücher in verschiedenen Sprachen – fast wie Bilder gerahmt. Viele sind Erstausgaben. Dazwischen Fotografien: Aitmatow mit seiner Familie, mit kirgisischen Schriftstellerkollegen, mit Michail Gorbatschow, mit sowjetischen und internationalen Persönlichkeiten.
Ich bleibe lange in diesem Arbeitszimmer stehen. Irgendetwas berührt mich hier sehr. Vielleicht die Nähe zu einem Menschen, dessen Werk ich schon so lange bewundere. Vielleicht aber auch die Atmosphäre, die in diesem Haus herrscht – eine Mischung aus Konzentration, Weltblick und Melancholie.
Der Garten draußen ist weit und voller Blumen. Ich stelle mir vor, wie Aitmatow hier spazieren ging, Gedanken sammelte, zwischen den Zeilen seiner Geschichten wanderte. Seine Themen – Identität, Verantwortung, Menschlichkeit – wirken in der Gegenwart dieses Ortes noch nach.
Der Besuch war ein Megastart für meine Reise durch Kirgisistan. Denn er machte sofort klar: Dies ist nicht einfach nur ein Land mit schöner Landschaft, sondern ein Ort voller Geschichten, Erinnerungen und kultureller Tiefe.
Aitmatow war nicht nur Schriftsteller. Er war auch Diplomat, Denker, moralische Instanz. Seine Bücher erzählen vom kirgisischen Alltag, von den großen Fragen des Lebens – und von der Sehnsucht nach Verbindung.
Ich freue mich darauf, diesen Spuren weiter zu folgen.