Dem Himmel so nah: Mein Aufstieg zum Kel-Suu-See in Kirgistan
Es gibt Orte, an denen die Welt für einen Moment stillzustehen scheint. Der Kel-Suu-See in der abgeschiedenen Region Naryn im Osten Kirgistans ist einer davon. Eingebettet in die dramatische Berglandschaft des Tian-Shan-Gebirges liegt er auf über 3.500 Metern Höhe – ein Naturwunder, das nur wenige Reisende zu Gesicht bekommen.
Der Weg dorthin ist nichts für schwache Nerven. Schon die Anfahrt über Schotterpisten und schmale Gebirgspfade ist ein Abenteuer. Und dann beginnt der Aufstieg: steil, steinig und begleitet von der stetigen Erinnerung, dass Sauerstoff hier oben Mangelware ist. Die Luft ist dünn, jeder Schritt kostet Überwindung. Und doch: Ich kämpfte mich hoch – Schritt für Schritt. In der Nähe eine Yal-Herde!

Ein See wie aus einer anderen Welt
Nach gut anderthalb Stunden Aufstieg plötzlich ein leises Raunen zwischen den Felsen. Dann öffnet sich das Tal – und da liegt er: der Kel-Suu-See. Türkisblau, geheimnisvoll, still. Der See wirkt wie ein Wesen aus einer anderen Zeit, fast unwirklich in seiner Klarheit und Abgeschiedenheit.
Er ist ein sogenannter Gletschersee, gespeist von unterirdischen Quellen und Schmelzwasser. In besonders trockenen Sommern kann er komplett verschwinden – um im nächsten Jahr wieder aufzutauchen. Für viele Kirgisen gilt der Kel-Suu deshalb als magischer Ort.

Zu kalt zum Baden, zu schön zum Gehen
Ich setzte mich auf einen Felsen am Ufer; Wasser ist eiskalt, selbst im Sommer. Aber genau das macht diesen Ort aus: seine Unnahbarkeit, seine stille Erhabenheit.
Hier oben ist nichts selbstverständlich. Kein Strom, kein Handyempfang, keine Hektik. Nur die Berge, der Wind, das Licht.
Zwischen Naturerlebnis und innerem Kompass
Was bleibt von diesem Tag? Nicht nur die spektakulären Bilder des Sees. Es ist vor allem ein Gefühl. Ein Gefühl der Klarheit, der Erdung, der Demut. Der Kel-Suu hat mir gezeigt, wie viel in mir steckt, wenn ich den äußeren Lärm ausblende und mich auf das Wesentliche konzentriere: Atmen. Weitergehen. Nicht aufgeben.
In einer Welt voller Ablenkungen ist so ein Tag wie ein Neustart für die Sinne!
Reiseinformationen für Abenteurer
Ich habe die Tour zum Kel-Suu mit einem ortskundigen Fahrer und Guide unternommen. Die Region liegt nahe der chinesischen Grenze, ein spezielles Permit (Grenzgebietszulassung) ist erforderlich und sollte mehrere Tage vorher beantragt werden.
Der Ausgangspunkt für viele Touren ist das Golden-Moon-Camp, von dort aus geht es je nach Wetterlage zu Fuß oder zu Pferd weiter zum See. Wer Glück und Verhandlungsgeschick hat, kann für einen Teil der Strecke vielleicht einen Gas 66 (geländegängiges Truppenfahrzeug aus Sowjetzeiten) mit Fahrer engagieren. Warme Kleidung, feste Schuhe und ausreichend Wasser sind Pflicht.

Zum Camp gehören einfache Blockhütten und eine extra Toiletten-Hütte. Gegessen wird in einer zentralen Hütte mit großem Speisesaal. Für 5 € pro Tag kann man Internet (guter Empfang!) buchen.

Fazit
Der Kel-Suu-See ist kein Ziel für einen schnellen Abstecher. Er ist ein Ort, den man sich erarbeiten muss – körperlich und geistig. Aber genau das macht ihn so besonders. Wer den Weg wagt, wird mit einer Erfahrung belohnt, die tief geht.
Für mich war dieser Tag einer der Höhepunkte meiner Reise durch Kirgistan – und ein Moment, in dem ich spürte, dass der Weg zu sich selbst manchmal über sehr hohe Berge führt.