Leben in der Nomadenfamilie

Meine Jurte
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Nomadisches Leben in Kirgisistan hautnah erleben

Zu Gast bei den Zjdapars – Leben in der Jurte: Ein Nomadenabenteuer im Kamandy-Tal.

Drei Stunden fernab jeglicher Asphaltstraße, wo selbst Google Maps kapituliert, beginnt mein Zuhause auf Zeit. Ich bin zu Gast bei einer kirgisischen Nomadenfamilie, den Zjdapars, mitten im Kamandy-Tal. Kleine Jurten auf 2.700 Metern Höhe, eingerahmt von grünen Hügeln, wildem Wind – und Stille, die den inneren Kompass neu ausrichtet.

Kein Komfort – und doch ein Geschenk

Es gibt keinen Strom. Kein Internet. Kein Bad. Nur eine Matte auf einem Holzgestell, mein Gepäck – und ein Gefühl von Erdung, das ich in der westlichen Welt lange nicht mehr gespürt habe.

Zähneputzen erfolgt an einer Handpumpe. Das Plumpsklo steht freistehend mitten auf der Wiese, mit Blick auf Berge, wenn man sich traut, den Kopf zu heben. Nachts sinken die Temperaturen auf 5 Grad. Es ist kalt, dunkel und ungewohnt – aber nicht bedrohlich.

Ich trage eine Filzmütze zum Schlafen, halte die Taschenlampe griffbereit. Mein Arbeitsplatz ist ein Klappstuhl, den ich erfragt habe – darauf schreibe ich Notizen, schaue Fotos durch, lasse Eindrücke wirken.

Leben in der Jurte #1
Leben in der Jurte #2

Begegnung statt Bequemlichkeit

Die kleine Evelyn – eines der neugierigen Kinder der Familie – hat mir gleich ein strahlendes Lächeln geschenkt. Ihre Blicke sprechen Bände. Sie versteht kein Wort von dem, was ich sage, aber das braucht es auch nicht. Es ist eine Kommunikation über Gesten, über Nähe, über echtes Interesse.

Das Essen: einfach, frisch, viel Fleisch – Hammel, Rind, manchmal Pferd. Alles ist liebevoll zubereitet, oft dampfend serviert, immer gemeinsam gegessen. Ich schmecke die Fürsorge. Und die Natur.

Die Gastfreundschaft? Tief. Aufrichtig. Echt. Nicht aufgesetzt, sondern gelebte Kultur. Ich bin nicht einfach Gast – ich bin Teil des Alltags.

Ich lerne melken und staunen

Ich helfe beim Kühemelken. Es ist früh, sehr früh. Die Hände frieren. Die Kühe sind ungeduldig, die Kälber warten schon. Ich darf es versuchen – mit mäßigem Erfolg, aber mit großem Respekt.

Die Frauen lachen herzlich. Ich auch. Wieder bin ich mittendrin – in einer Welt, die so anders ist, aber mich willkommen heißt.

Das Tal der Langsamkeit

Das Kamandy-Tal ist kein Ort, den man „besichtigt“. Es ist ein Ort, den man betritt wie ein heiliges Buch – leise, vorsichtig, bereit, zu lernen. Die Stille hier hat Tiefe. Die Zeit scheint sich zu dehnen.

Ich beobachte, wie Wolken über die Hänge ziehen, wie sich das Licht verändert, wie Pferde frei galoppieren. Jeder Schritt über die Wiese ist eine Entdeckung: eine Blüte, ein Insekt, ein Klang.

Digital Detox mit Tiefe

Was als „Abschalten“ beginnt, wird schnell zu etwas Größerem: einem Loslassen. Kein Strom bedeutet auch: kein Aufladen. Kein WLAN bedeutet: kein Scrollen, kein Posten, keine Ablenkung. Ich beginne, wieder richtig zu sehen. Und zu fühlen.

Diese Tage in der Jurte zeigen mir, wie wenig man braucht – und wie viel man gewinnen kann, wenn man einfach da ist.

Nomadenleben: Zwischen Tradition und Wandel

Die Familie Zjdapar lebt wie Generationen vor ihr: mit der Natur, im Rhythmus der Tiere, im Jahreszeitenlauf. Und doch gibt es kleine Zeichen des Wandels: ein Solarlicht, ein Handy, das manchmal Empfang hat. Evelyn lernt bald in der Dorfschule lesen.

Aber für den Sommer sind sie hier – in dieser Jurte, auf dieser Wiese, mit ihren Tieren. Und ich darf für kurze Zeit teilhaben.

Ein Leben auf Zeit – für die Ewigkeit im Herzen

Ich werde diese Nächte nicht vergessen. Die Sterne über der Jurte. Die Geräusche der Tiere. Das Lachen der Kinder. Das heiße Brot aus dem Kessel.

Was wie Verzicht wirkt, ist in Wahrheit ein Reichtum, der sich nicht in Komfort messen lässt. Es ist ein Reichtum an Nähe, an Ruhe, an Sinn.

Ich bin unendlich dankbar. Und ich weiß jetzt: Komfort ist manchmal nur ein anderes Wort für Ablenkung. Hier, bei den Zjdapars, habe ich etwas viel Wertvolleres gefunden: eine Verbindung – zur Natur, zu Menschen, zu mir selbst.

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